WALK / HAMBURG HAFENPIPI — PATRICK WILL

30.7. / 17:00 UHR

Treffpunkt: Baakenkai, Amerigo Vespucci-Platz, 20457 Hamburg

Den Hafen Genuas erlebte ich besonders eindrücklich beim stundenlangen Warten auf eine Autofähre. Während meine Eltern und die anderen Erwachsenen die Zeit damit zubrachten den Beginn des Urlaubs mit Wein, Bier und Autoradio zu feiern, spielten wir Kinder in den Gängen zwischen Wüsten-Wohnmobilen und Geländewagen. Der plötzliche Druck meiner Blase kam mir inmitten der brütenden Hitze sehr gelegen, da ich mich auf eine Erkundungstour nach einer kühlenden Sanitäreinrichtung aufmachen konnte. Diese fand ich schließlich in der Eingangshalle der tunesischen Fährgesellschaft im Gedränge der mir vielen unbekannten Sprachen. Erstaunt über die hohen gekachelten Räume ließ ich die Menschenschlange vor den Kabinen links liegen und lief auf die nächstgelegene Tür zu. Sie schwang sofort auf, als ich mich gegen sie lehnte. Die Szene, die mich hier erwartete war zweifelsohne überfordernd. Im kühlen Schatten der Kabine hockte ein Mann breitbeinig über einem Loch im Boden. Seine Hosen hingen ihm dabei in den Knien. Er erschrak und starrte mich an. Gleichzeitig fiel etwas zwischen seinen Beinen zu Boden und verschwand Flucht ergreifend im Loch unter ihm. Instinktiv riss ich die Tür sofort wieder zu. Mit hochrotem Gesicht verließ ich so schnell es ging das Szenario und urinierte im benachbarten Raum an den typischen Pissoir-Rinnen. Ich war erleichtert, dass sich meine Notdurft nur auf meine Blase beschränkte.

Obwohl meine erste Begegnung mit einer Hock-Toilette ein wunderbares Tutorial für ihre Bedienung war, stelle ich mich nach wie vor dabei sehr ungeschickt an. Als männliche Person muss man nur sehr selten mit blanken Po und heruntergelassener Hose einen souveränen Auftritt abliefern. Beginnt man dies jedoch bewusst im öffentlichen Raum zu tun, ergeben sich schnell neue landschaftliche und städtische Perspektiven. Das wild wachsende Dickicht einer Stadt ist dann nicht mehr nur Natur-, sondern auch Schutzraum, den es sich zu gießen lohnt. Lockdown, Pandemie und geschlossene Cafés und Gastronomien haben die öffentlich nutzbaren stillen Orte nicht nur auf verschmutzte Automatiktoiletten reduziert, sondern auch Probleme verschärft.

Der künstlerische Spaziergang HafenPipi untersucht den urbanen Raum Hamburgs daher nicht auf seine Bedürfnisanstalten, sondern befasst sich mit alternativen Ideen und Konzepten der Erleichterung im öffentlichen Raum: Parks, Grünanlagen, Nischen, Versiegelungen und Gullydeckel werden dabei auf ihren Zweck, Nutzen und Neubesetzung geprüft. Bewusstheit und Respekt für die Diversität von Geschlecht und Vegetation stehen dabei immer im Vordergrund.